„Der Wandertag beginnt um 05:00 Uhr früh mit einem bemalten Frühstücksei. Gut gestärkt, motiviert aber auch mit viel Respekt checken wir nochmal die Wegstrecke – die 28 km und die vielen Höhenmeter geben uns zu denken, aber der übertriebene gesellschaftliche Zeitgeist des „wir können alles schaffen“ treibt uns voran und lässt uns euphorisch in die erwachende, im Morgentau getränkte Landschaft aufbrechen. Immer wieder bleiben wir stehen, um kurze Yogaeinheiten zu praktizieren, Heidelbeeren zu essen und die Landschaft zu fotografieren. Hügel für Hügel lassen wir die Höhenmeter hinter uns, jedoch wird der Weg gefühlt nicht merklich kürzer. Immer wieder schwenkt der Blick aufs Handy, der einen Wunsch des „hoffentlich sind wir bald da“ impliziert. Einen weiteren windigen Bergkamm und – wie wir später wissen werden – zehnstündiges Auf und Ab später, steht der letzte Gipfel vor uns.
Das Problem dabei ist, dass er noch vor uns steht. Wir haben kein Wasser mehr, ein Gewitter zieht auf und Körper und Geist sind müde. Jeder Schritt wird zur Qual, jeder Höhenmeter schwer zu steigen und die Gruppe wird äußerlich still. Innerlich ist eine steigende Nervosität spürbar.
Das Gewitter steht über uns. Wir fragen uns, ob wir unsere Zelte irgendwo am Berg aufschlagen sollten, beschließen dann aber: „das schaffen wir schon“. Den Hügel hinunterschauend, sehen wir einen kleinen Bergsee, über uns die immer dunkler werdenden Wolken und vor uns den steilen Schotterabstieg. Getrieben durch das Wetter und die einbrechende Nacht sollten wir schnell den Berg hinunter gehen, jedoch trübt die Müdigkeit die Konzentration, die für einen schnellen Abstieg nötig wäre, sodass nur ein langsamer Abstieg möglich ist.
Gerade noch den Schotterabstieg hinter uns gebracht und beim See die Flaschen aufgefüllt, bricht die Nacht ein. Wir laufen schnell zur Baumgrenze, welche uns gefühlt von dem immer lauter werdendem Donner und den näherkommenden Blitzen schützt. Der Regen wird immer stärker und der Weg schwerer zu erkennen und zu begehen, weil der Untergrund immer rutschiger wird. Einerseits haben wir Angst vor den Blitzen, andererseits warten wir sehnsüchtig darauf, da uns diese die Landschaft ausleuchten und somit den Weg besser erkennen lassen.
Schlussendlich erreichen wir nach einem 14-stündigen physischem und emotionalem Auf und Ab die Hütte. Da der Regen unsere Gesichter schon durchnässt hatte, fielen die Freuden- bzw. Erleichterungstränen dabei kaum mehr auf. Es ist zwar alles gut gegangen, aber die Frage stellt sich, warum wir geglaubt haben, solch einen Weg überhaupt schaffen zu können bzw. zu wollen und dabei den Faktor „wechselndes Wetter“ nicht mitgedacht haben. Obwohl dies ja genau unseren Motivationsgrund für den Climate Walk darstellt?
Spiegelt nicht genau dieses Verhalten des „wir können alles schaffen“, „wir können jeden Berg bezwingen und jedem Wetter trotzen“ das Problem der gesellschaftlichen Dominanz gegenüber der „Natur“ bildlich in einem Wandertag wider?“